Am „grünen Tisch“ auch an die Betroffenen denken

Oft entwerfen Unternehmen am „grünen Tisch“ die Geschäftsprozesse in ihrer Organisation neu. Und entsetzt stellen sie einige Monate später fest: Deren Einführung funktioniert nicht (so reibungslos) wie geplant. Eine Ursache hierfür: Wenn sich die Abläufe und Strukturen ändern, müssen auch die Mitarbeiter ein verändertes Verhalten zeigen. Das sollte beim Optimieren von Geschäftsprozessen beachtet werden.

„Wir müssen unsere Geschäftsprozesse auf den Prüfstand stellen und ein gezieltes Geschäftsprozessmanagement betreiben.“ Diese Aussage hört man seit einiger Zeit oft von Unternehmensführern. Sie versprechen sich von einem Neugestalten der Geschäftsprozesse

  • kürzere Durchlaufzeiten,
  • weniger Fehlerquellen und
  • einen effektiveren Einsatz der Ressourcen (an Geld und Zeit)

was letztlich zu mehr Qualität, niedrigeren Kosten und einer höheren Kundenzufriedenheit führt.

Soweit die Theorie. Im Unternehmensalltag erweist sich das Geschäftsprozessmanagement als hochsensibles Thema – unter anderem, weil die Mitarbeiter mit dem Neugestalten der Geschäftsprozesse meist Vokabeln wie „Personalabbau“, „Automatisierung“ und „Outsourcing“ und einen erhöhten Veränderungsdruck assoziieren. Entsprechend reserviert reagieren die Mitarbeiter und Sozialpartner meist auf entsprechende Initiativen der Unternehmensleitung – aber auch die Führungskräfte. Sie befürchten: Wenn die (bereichs- und funktionsübergreifenden) Prozesse optimiert werden, wird auch manche Führungsposition obsolet. Außerdem wird das Alltagshandeln der verbleibenden Führungskräfte einer stärkeren Kontrolle unterworfen. Also sperren auch sie sich zumindest mental gegen ein Geschäftsprozessmanagement, selbst wenn sie dessen Notwendigkeit und Nutzen durchaus sehen.

Ziel: Alle ziehen am selben Strang
AEin professionelles Geschäftsprozessmanagement geht von folgenden Annahmen aus. In der Vergangenheit beschränkten sich die Prozessoptimierungen in den Unternehmen meist auf die einzelnen Bereiche – so als seien diese autarke Einheiten. Dies führte dazu, dass die Zahl der Schnittstellen kontinuierlich stieg und die funktions- und bereichsübergreifende Zusammenarbeit stets komplexer wurde. Entsprechend groß ist heute der Bedarf an Abstimmung und Koordination, weshalb viele Fach- und Führungskräfte einen großen Teil ihrer Arbeitszeit in Meetings verbringen. In Vergessenheit geriet dabei teilweise, dass die eigentliche kundenorientierte Leistung bereichsübergreifend erbracht wird.

Dieses Manko soll durch das Geschäftsprozessmanagement beseitigt werden, und zwar indem die für den Kunden Wert schöpfenden Prozesse identifiziert und mit der Strategie des Unternehmens in Verbindung gebracht werden. Hieraus werden dann Optimierungsvorschläge abgeleitet, die anschließend umgesetzt werden. Dabei sorgen Prozesskennzahlen für eine kontinuierliche Transparenz der Qualität und Kosten. Sie ermöglichen zudem eine zeitnahe Reaktion, wenn das Erreichen der Ziele gefährdet ist.

Eine zentrale Rolle spielt dabei der Prozessmanager oder -berater. Seine Aufgaben sind noch nicht allgemeingültig definiert. Sie variieren von Unternehmen zu Unternehmen. In der Regel ist der Prozessmanager aber verantwortlich für

  • das Aufsetzen neuer Projekte,
  • das Re-Design der Geschäftsprozesse,
  • deren Einführung in der Organisation und
  • das kontinuierliche Führen, Planen, Überwachen, Steuern und Verbessern der Prozesse – gemeinsam mit den Führungskräften.

Die Mitarbeiter - Erfolgsfaktor und Hemmschuh
Der wichtigste Erfolgsfaktor (und zugleich Hemmschuh) beim Neugestalten und Weiterentwickeln der Geschäftsprozesse sind die Mitarbeiter. Sie müssen ein hohes Maß an Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft zeigen. Deshalb hängt der Erfolg eines Geschäftsprozessmanagement weitgehend davon ab, inwieweit es gelingt, die Betroffenen von der Notwendigkeit einer Änderung der Abläufe und Strukturen – gegebenenfalls unter Nutzung neuer IT-Systeme – zu überzeugen.

An diesem Punkt zeigen noch viele Unternehmen Entwicklungsdefizite. Häufig erfolgt das Re-design der Prozesse und das Planen des Projektverlaufs sozusagen am „grünen Tisch“ (mit Hilfe externer Berater). Nicht ausreichend berücksichtigt wird, dass das Unternehmen beim Umsetzen auf die Mitarbeit der Betroffenen angewiesen ist. Folglich werden auch die Grundprinzipien für das Gestalten jedes Change Management-Prozesses nicht ausreichend berücksichtigt und fließen nicht in das Design des Gesamtprojekts ein. Hierdurch sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass die initiierten Entwicklungs- und Veränderungsprozesse erfolgreich umgesetzt werden. Deshalb werden im Folgenden die wichtigsten Prinzipien des Change Managements, die es auch beim Geschäftsprozessmanagement zu beachten gilt, kurz vorgestellt.

Alle betroffenen Mitarbeiter und Führungskräfte beteiligen
Abläufe in Unternehmen funktionieren dann sicher, wenn die beteiligten Menschen diese verinnerlicht und Routine im Umgang mit ihnen entwickelt haben. Dann destabilisieren auch kleinere Störungen das System nicht, was die Qualität sichert. Sollen nun die Prozesse neu gestaltet werden, dann ist dieses Beharrungsvermögen eher hinderlich. Deshalb sollten die verantwortlichen Führungskräfte und die wichtigen Schlüsselpersonen in die Analyse der aktuellen Situation und in das Neugestalten der Prozesse einbezogen werden. Dies kann auf sehr unterschiedliche Art und Weise geschehen und stellt sicher, dass ihr Erfahrungs- und Expertenwissen ausreichend berücksichtigt wird. Außerdem haben die Beteiligten weniger das Gefühl, dass ihnen etwas übergestülpt wird. Folglich identifizieren sie sich stärker mit dem Neuen.

Freiräume für Reflexion und Dialog schaffen
Bei jedem Geschäftsprozessmanagement-Projekt stehen die Beteiligten unter einem hohen Zeit- und Arbeitsdruck. Zu kurz kommt deshalb oft zum Beispiel im Führungsteam die gemeinsame Reflexion über

  • das bereits Erreichte,
  • die noch offenen Aufgaben und
  • die bestehenden Blockaden/Schwierigkeiten.

Solche Reflexionsrunden sollten fest institutionalisiert werden, weil sie den Zusammenhalt des „Kernteams“ stärken und dafür sorgen, dass seine Mitglieder dieselbe „Sprache“ sprechen und am selben Strang ziehen – unter anderem, weil der Gedanken- und Erfahrungsaustausch zu einer Sensibilisierung für die Hypothesen und Sichtweisen der Kollegen führt und einen Abgleich mit der eigenen Sicht ermöglicht. Dieser Austausch sollte abseits des operativen (Alltags-) Geschäfts erfolgen

Die Kommunikation über Veränderungen im Unternehmen gezielt planen und umsetzen.
Bevorstehende Veränderungen bewirken Unsicherheiten bei den Mitarbeitern und diese führen zur bekannten Gerüchteküche – wenn ein Informationsvakuum besteht. Und hieraus resultieren Reibungsverluste und Produktivitätseinbußen. Um diese zu vermeiden, sollte in einem Kommunikationskonzept geplant werden, „wer, was, wann und auf welche Weise, an wen kommuniziert“. Und werden Informationen aus guten Gründen zurückgehalten, dann sollte dies auf Basis einer expliziten Entscheidung und im Bewusstsein der möglicher Folgen geschehen.

Bestehende Widerstände und Konflikte berücksichtigen und konstruktiv für den Prozess nutzen
Ein Neugestalten (und Automatisieren) von Geschäftsprozessen verursacht Widerstände. Diese Widerstände sind immer emotional bedingt und werden meist verschlüsselt artikuliert. Deshalb sollten die Verantwortlichen mit den „Widerständlern“ den persönlichen Dialog suchen, um herauszufinden, was die realen Ursachen sind. Diese sollten dann in einer sachlichen Atmosphäre bearbeitet werden, so dass Vereinbarungen über das weitere Vorgehen möglich sind. Das entschärft die Situation.

In Systemen denken
Komplexe Veränderungsprozesse, die sich in zahlreiche (Teil-)Projekte, die sich wechselseitig beeinflussen, untergliedern, können nicht mit linearen Denkansätzen umgesetzt werden. Hierfür ist ein Denken in Systemen, also vernetzten Strukturen, nötig. Dieses Denken geht davon aus, dass das Verhalten des Einzelnen von seinem sozialen System beeinflusst wird und er dessen Entwicklung wiederum beeinflussen kann. Dies berücksichtigt ein systemischer Beratungsansatz, weshalb er keine isolierten Problemlösungen entwirft.
 

Den Führungskräften und wichtigen Schlüsselpersonen die nötigen Kompetenzen vermitteln
Bei jedem Veränderungsprozess gibt es Phasen der Unsicherheit. Vor allem in ihnen müssen die Führungskräfte ihren Mitarbeitern Orientierung und Halt bieten, selbst wenn sie selbst Unsicherheiten plagen; entsprechendes gilt für die Prozessmanager/-berater. Deshalb sollten sie mit den Besonderheiten von Veränderungsprozessen vertraut sein und wissen, dass in ihnen an sie teils andere Anforderungen als in „stabilen Zeiten“ gestellt werden. Außerdem sollten sie die Methoden und Instrumente des Change Managements beherrschen, damit sie die Veränderungen gestalten können. Diese Fähigkeiten müssen die Unternehmen den Schlüsselpersonen in ihrer Organisation vermitteln – unter anderem, weil „stabile Zeiten“ heute eher die Ausnahme sind. Deshalb hat sich das Managen von Change-Prozessen Management zu einer Kernkompetenz von Führungskräften entwickelt.

Das Prozessdenken in der Unternehmenskultur verankern
Der Einstieg in ein prozessorientiertes Denken und Handeln erfordert in vielen Unternehmen einen Wandel der Unternehmenskultur. Diese Kultur definiert sich aus bewussten und unbewussten Haltungen und Werten, die für die Mitarbeiter wichtig sind, und deren Missachtung für sie oft ein „Tabubruch“ ist. Beim Verändern der Unternehmenskultur spielen die Führungskräfte die zentrale Rolle, weil sie für ihre Mitarbeiter Vor- und Leitbilder sind. Folglich muss mittels entsprechender Maßnahmen des Change Managements daraufhin gearbeitet werden, dass sich im Handeln der Führungskräfte die veränderte Unternehmenskultur zeigt, en. Nur dann können die Mitarbeiter als Mitstreiter gewonnen werden, und kann und mittels entsprechender Maßnahmen des Change Managements daraufhin gearbeitet werden, dass sie sich die neue Kultur in der Organisation etabliert.
 

Multiplikatoren einsetzen und mit Coaching die Nachhaltigkeit sichern
Wie bereits erwähnt, ist die Rolle des Prozessmanagers/-beraters noch in der Entwicklung. Auf jeden Fall sollte es in der Organisation aber eine Person und/oder Institution geben, die für das Geschäftsprozessmanagement verantwortlich ist. Weitere wichtige Aufgaben sind

  • das Coachen der Prozesseigner und -verantwortlichen,
  • das Organisieren der Weiterbildung zum Thema Prozess und
  • das Etablieren eines Wissensmanagements, um aus Erfahrungen zu lernen.

Um diese Aufgaben ausfüllen zu können, benötigen die Verantwortlichen eine hohe Kompetenz in Sachen Change Management. Ob diese Rolle von einem Prozessmanager/-berater wahrgenommen werden sollte, ist noch zu definieren. Aktivitäten des kürzlich gegründeten Business-Process-Management Clubs (BPM Club) Deutschland (www.bpm-clubs.de ) zielen in diese Richtung. Er möchte mit Praktikern ein Berufsbild für Prozessmanager entwerfen.

Eine stärkere Verzahnung von Geschäftsprozessmanagement und Change Management lässt sich auf verschiedene Art und Weise erreichen. Dabei ist jedoch eine Change Management-Qualifizierung der Prozessmanager/-berater sowie der Führungskräfte und der Mitarbeiter, die eine Schlüsselrolle spielen, unverzichtbar. Entsprechende Aus- und Weiterbildungen werden in verschiedenen Umfängen angeboten – vom 3-Tage-Einstiegsseminar bis zur einjährigen berufsbegleitenden Fortbildung. Für die Prozessmanager/-berater bietet sich letzteres an, weil der Erwerb der nötigen Kompetenz auch mit einem Sammeln von Erfahrung und einerm persönlichen Sich-Entwicklungeln verbunden ist. Bei der Wahl der Ausbildung sollte auf einen hohen Praxisbezug und eine ausreichende Transfermöglichkeit auf das eigene Aufgabenfeld geachtet werden.

Beim Integrieren von Change Management Prinzipien in das Geschäftsprozessmanagement sollten die oben Übertragen der beschriebenen CM-Aufgaben und Funktionen auf eine Person innerhalb der Organisation übertragen werden, z.B. den Prozessmanager. sollte beachtet werdenAllerdings: Der Prozessmanager ist in der Regel inhaltlich stark in das Geschäftsprozessmanagement involviert. Deshalb sollte ist es bei komplexen Projekten sogar ratsam, einen Change Management-Berater imns Projekt integriert werdenzu integrieren, der den Prozessmanager und die Führungskräfte berät und coacht. Hier sind unternehmensinterne und externe Lösungen denkbar.

Zum Autor: Uwe Feddern, Dipl.-Informatiker, war mehr als zehn Jahre im internationalen Management eines Technologiekonzerns tätig. Er ist geschäftsführender Partner der Unternehmensberatung step process management.

step process management (www.step-pro.de) berät Unternehmen in den Bereichen Organisationsentwicklung sowie Change- und Projektmanagement. Außerdem vermittelt step process management ihren Mitabeiternin Weiterbildungen die hierfür nötige Qualifikation.

Kontakt: feddern@step-pro.de

 

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