BPO im Debitorenmanagement

Business Process Outsourcing (BPO) ist für viele Unternehmen und auch entsprechende Dienstleistungsunternehmen hinsichtlich Kostenreduzierung und Fokussierung auf die Kernkompetenzen nach wie vor eine hervorgehobene strategische Option. Dabei sind gemäß einer Studie von IDC (Computerwoche 27.7.2005) nach wie vor erhebliche Rückstände im internationalen Vergleich in Deutschland zu verzeichnen. Als ein zukünftig besonders für BPO interessanter Prozessbereich wird dabei das Debitorenmanagement und höherwertiges BPO-Segment angeführt.

Um BPO-Dienstleistungen für Debitorenmanagement erfolgreich anbieten zu können, ist es mehr als notwendig über ein klares Verständnis von den Prozesszusammenhängen der potenziellen Kunden zu verfügen. Wie lassen sich also Debitorenprozesse am besten per BPO-Operation transferieren?

Im engeren Sinn versteht man unter Debitorenmanagement die zielgerichtete Handhabung der Zahlungseingänge von bestehenden Forderungen. Damit einhergehende Prozesse bzw. Arbeitsabläufe sind hinsichtlich Komplexität weitestgehend überschaubar. Im weiteren Sinn greift und berührt Debitorenmanagement als Querschnittsthema weit mehr Prozesse als in den ersten Gedankengängen vielleicht berücksichtigt.

Abbildung: Prozesse im Debitorenmanagement

Angefangen mit der Auftragsprüfung und den in diesem Prozess entstehenden bzw. ausgelösten Zahlungskonditionen und weiteren Rechnungsinformationen, die oft sehr kundenindividuell sein können – denken Sie an die Flexibilität und Kreativität der Vertriebsmitarbeiter, bis hin zum tatsächlichen Zahlungseingang und der finalen Saldenabstimmung umfasst das Debitorenmanagement einen weiten Prozessradius. Jeder ernsthafte BPO-Dienstleister hat nun die Aufgabe sich im Rahmen einer BPO-Angebotserstellung mit den Prozessen der Kunden in diesem Kontext auseinander zusetzen.

Dabei bestehen zwei grundsätzliche Möglichkeiten wie oben skizziert:

  • Debitorenmanagement im engeren Sinn outsourcen – dieser Weg bedeutet eine genaue Definition der Schnittstellen in den Prozessen zwischen Unternehmen und BPO-Dienstleister. Insgesamt entsteht deutlich weniger Outsourcing-Potenzial und weniger Vertragsrisiko aus Unternehmenssicht.
  • Debitorenmanagement im weiteren Sinn outsourcen - Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung sind umfangreiche Vorarbeiten auf Unternehmensseite hinsichtlich involvierten Prozessen und auch an die Prozesstransparenz. Oft ist sich das Unternehmen hier selbst nicht des Umfanges bewusst, da Debitorenmanagement oft als wichtiges Managementthema vernachlässigt wird und damit die Prozesse eher nur rudimentär gesteuert werden.
  • Damit sind BPO-Dienstleister schnell in der Argumentationsfalle gefangen:

    Soll der engere Ansatz mit weniger Kostensenkungspotenzial oder der weitere Ansatz mit erheblichen Vorarbeiten auf Kundenseite verfolgt werden, der Kosteneinsparungen in weitere Zukunft verlagert? In Zeiten von kurzfristiger Gewinnorientierung und ROI’s von Projekten keine angenehme Entscheidung.

    Hinzu kommt aus Sicht vieler Unternehmen zur Beschleunigung von Zahlungseingängen noch aktuelle Ansätze der Forderungsverbriefung (Asset Backed Securities), bei der das Unternehmen nicht nur die Forderungen aus der Bilanz bekommt, sondern auch noch das Ausfallrisiko abgeben kann.

    Folgende Kriterien und Handlungsempfehlungen sind für einen erfolgreichen BPO-Ansatz im Debitorenmanagement auf jeden Fall zu beachten:

    Prozesszusammenhänge verdeutlichen: Debitorenmanagement ist als Prozess-Querschnittsthema von elementarer Wichtigkeit für den Zahlungseingang. Eine Prozessanalyse vorab beim Kunden kann bestehende Ineffizienzen prozessübergreifend transparent machen.

    Prozessschnittstellen eindeutig definieren: die mit dem Vertrieb einhergehende Komplexität verschiedener Vertriebswege (Multi-Channeling) und oft auch ausufernder Zahlungskonditionen (Rahmenverträge, Einzelverträge, manchmal über mehr als 200 verschiedene Rabattarten) stellen eine hohe Anforderung an das Outsourcing hinsichtlich klarer Prozessschnittstellen zwischen Unternehmen und BPO-Dienstleister. Oft ist das Unternehmen wegen dieser Komplexität überhaupt nicht „reif“ für ein Outsourcing.

    Schlüsselfragen kennen: Wie zeitnah und qualitativ werden die Leistungsdaten erfasst, geprüft und bewertet? Wie lange dauert es, bis ein an sich fakturarelevanter Auftrag/Teilauftrag zur Fakturaerstellung gelangt? Wie einfach und zeiteffizient ist die Fakturaerstellung und Rechnungsprüfung organisiert? Wie konsequent werden offene Forderungen „angemahnt“?

    Schlüsselkennzahlen kennen: dazu gehören z.B. - Bilanzieller Forderungsbestand, Zeitdauer Rechnungsstellung bei Forderungsentstehung und Durchschnittliche Dauer Zahlungseingang nach Rechnungsstellung. Es ist in empirischen Studien nachgewiesen, dass eine zeitnahe Fakturierung auch zeitnäher von Kunden angewiesen wird. Späte Fakturierung hingegen bewirkt Widerstände auf Grund zunehmender Unkenntnis des Sachverhaltes.

    Schlussfolgerung: Debitorenmanagement ist aus BPO-Dienstleistungssicht ein sehr interessantes Thema, da den potenziellen Kunden „unangenehme“ Aufgaben abgenommen werden und gleichzeitig eine Beschleunigung der Zahlungseingänge bei Reduzierung der Forderungsausfälle möglich wird. Die dabei einzubeziehenden Prozesse stellen höchste Anforderungen an die fachliche Eignung des BPO-Dienstleisters hinsichtlich Prozess-Know-how, Kundenverständnis und der Gestaltung der BPO-Verträge. Damit gehen sehr hohe Anforderungen in der Vertragsanbahnungsphase auf beiden Seiten einher, die mit entsprechender Kompetenz begleitet werden müssen. Ansonsten droht das Schicksal vieler BPO-Deals: Keine Realisierung möglicher Kostenreduzierungen und eine Erhöhung der Komplexität in den dann unternehmensübergreifend vorhandenen Prozessschnittstellen. 

    Autor: Dipl.-Kfm. Thilo Knuppertz, Geschäftsführer, Kompetenzzentrum für Geschäftsprozessmanagement

     

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